Hintergründe

Der Orient Express ist eine Skidurchquerung mit etwa 5900 Höhenmetern im Aufstieg und ca. 59 Kilometern Gesamtstrecke vom Ötztal bis knapp vor Innsbruck die vermutlich erstmals in den 1960ern oder 1970ern im Gespräch war. Er verbindet Gries im Sulztal (Seitental des Ötztales) mit der Ortschaft Mutters bei Innsbruck. Bei der alten Riege der einheimischen Tourengeher ist er noch bekannt und war die Prestigetour für alle ambitionierten Tourensportler bis in die 1980er Jahre.
Die Strecke: Winnebach (Ortsteil von Gries im Sulztal) über den Breiten Grieskogel, 3287m – Winnebachjoch – Winnebacher Weißerkogel, 3185m – Rosskarscharte – Gleirschtal – Zischgeles, 3005m – Praxmar – Roter Kogel, 2834m – Fotschertal – Schaflegerkogel, 2405m – Kemater Alm – Hoadl, 2340m – Lizum – Birgitzköpfl, 2035m – Gasthof Lärchenwald bei Mutters
Das Ziel seit jeher: Die Strecke in unter 24 Stunden hinter sich zu bringen.
Warum er Orient Express getauft wurde, ist mir leider nicht bekannt und ich konnte es nach vielen Gesprächen auch nicht herausfinden. Vermutlich, weil die gleichnamige Zugverbindung damals noch in aller Munde war, man bei der Skirunde ebenfalls eine große Strecke zurücklegt und sie von West nach Ost verläuft.
Der Orient Express ist die größte Expansion des Fotscher Express und die mir durch Überlieferungen weiteste, bekannte, eintägige Skidurchquerung aus der Innsbrucker Gegend. Das Skitourenrennen „Fotscher Express“ des Skiklub Innsbruck wurde bis in die 1960er Jahre ausgetragen. Es startete bei der Skihütte im Fotschertal und endete ebenfalls in Mutters im Gasthof Lärchenwald.

Alte Tourenfüchse haben die Route dann abseits des Rennens als eintägige Skitour immer mehr erweitert: Zuerst den Großen Fotscher Express (Start in Praxmar + Roter Kogel), dann den Super Express (Start in Praxmar + Zischgeles + Roter Kogel) und schlussendlich den Orient Express.
Blicken wir weiter über den Tellerrand hinaus, so steht sogar die Große Reibn der Berchtesgadner weit hinten an – vor allem bezüglich zurückgelegter Höhenmeter und Höhe der Gipfel.
Ich bin erstmals in Kontakt mit dem Orient Express über die Erzählungen meines Vaters gekommen. Als er und ein Freund von ihm den Orient Express in den 1980ern – als er schon fast wieder in Vergessenheit geraten ist – in etwas über 19 Stunden begangen haben.
Wie viele Begehungen es in der ersten Phase bis in die 80er Jahre gab, weiß ich leider nicht. Aber ich rechne mit einigen Dutzend Leuten die ihn damals am Stück hinter sich gebracht haben. Von den späten 80ern bis 2017 ist der Orient Express mehr oder weniger in Vergessenheit geraten.
In der zweiten Phase seit meiner Begehung am 15.03.2017, wurde der Orient Express wieder zu einem ganz heißen Gespräch in der Szene der ambitionierten Skitourengeher. Seitdem wurde er drei Mal wiederholt. Ich rechne aufgrund der medienwirksamen Begehung der Salomon-Athleten im Jänner 2020 mit einem kleinen (oder auch großen?) Run auf den Orient in den nächsten Jahren.
Die mir bekannten In-einem-Zug-Begehungen des Orient Express auf der originalen Strecke
Erste Phase bis in die 1980er:
- Engelbert Ruetz und Robert Spiegl
Zweite Phase seit meiner „Erstbegehung in der modernen Skitourenzeit“
- 15.03.2017, Lukas Ruetz
- 25.03.2017, Christian Esswein aus Innsbruck
- 29.03.2019, Walter Schimpfössl aus dem Außerfern
- 24.01.2020, Markus Kröll aus dem Zillertal, Philipp Reiter aus Bad Reichenhall und Martin Schidlowski aus Innsbruck
- 10.01.2021, Alexander Westenberger und Maximilian Janke aus Bad Reichenhall
Meine Begehung am 15.03.2017: Die Wiederentdeckung des Orient Express
Video zur gesamten Runde
Als ich vor einigen Jahren erstmals die Geschichte zur Begehung meines Vaters gelauscht habe, war ein Projekt solcher Größe als Tagestour noch in unendlicher Ferne. Nachdem ich jahrelang viel unterwegs war und bereits einige andere, eintägige, weite Skidurchquerungen hinter mich gebracht habe, hatte ich ihn dann auch endlich in meinem Tourenbuch stehen :)
Mein Bruder fährt mich in aller Herrgottsfrüh von St. Sigmund fast eine Stunde nach Gries im Sulztal. Ich trage von Winnebach um vier Uhr morgens die Ski ein paar Minuten bevor ich auf einer stark vereisten Spur Richtung Winnebachseehütte weiterkomme. Begleitet von meinem Mondschatten, mit Blick zu Seeblaskogel und Sternenhimmel, komme ich auf einer sehr gut gelegten Spur zum Breiten Grieskogel – erlebe aber noch kurz vor dem Gipfel einen traumhaften Sonnenaufgang. Oben bläst eiskalter Nordostwind der einen hauchdünnen Wolkenschirm nur etwa 30 Meter über den Gipfel streichen lässt – bestes Kinoerlebnis mit Surround-Effekten. Die Stimmung am Anstieg und am Gipfel war echt einmalig. So habe ich das in den Bergen noch nie zuvor erlebt.




Die Abfahrt bietet windverpressten, meist tragenden Schnee am Grieskogelferner und ab dem Zwieselbachjoch wilden Schmelzbruchharsch – aber das hatte ich ja erwartet. Nur mit dem leichten 75 mm Ski ist das ganze nicht so toll. Weiter geht’s zum Winnebacher Weißerkogel über das Winnebachjoch, eine Spur ist großteils vorhanden und ich stehe nach einer kurzen Abfahrt am Fuße der Rosskarscharte. Für den kurzen Anstieg zur Scharte brauche ich die Steigeisen nicht, er wurde vor kurzem angespurt und ich habe gute Tritte.





Die Ausfahrt durch das Gleirschtal bietet einige Pulverschwünge, dafür kann ich ein paar hundert Höhenmeter auf den Zischgeles hinaufspuren. Ich mache über eine Stunde Pause am Zischgeles weil ich ob der gewaltigen Bedingungen viel früher oben bin als mit meinem Rendezvous abgemacht.






Gut ausgerastet geht es über das Sattelloch – durch das Kamplloch traue ich mich wegen des Altschneeproblems noch nicht durch – bei wechselnden Schneebedingungen nach Praxmar. Dort warten mein Onkel und mein Bruder mit einer Gerstlsuppe. Weiter geht’s vom Talboden teils im Aperen, großteils im Sulz auf einer wiederum guten, ausgeglichenen Spur auf den Roten Kogel. Dafür hatte ich auf den letzten paar hundert Höhenmetern mit Stollenbildung zu kämpfen.






Ich halte mich nur ganz kurz am Roten Kogel auf – es bläst eisiger Nordwind – und genieße wiederum Pulver und weiter unten Bruchharsch bis in den Talboden des Fotschertales. Weiter komme ich über die Furgges Alm und wiederum schöner Spuranlage auf den Schaflegerkogel, hier hatte ich allerdings ein massives Tief. Es zieht meist ein dünner Wolkenschirm von Norden durch der die Sonne abschattet und die Temperatur am Nachmittag auf den Westhängen auf angenehmem Niveau hält.




Bei der Abfahrt vom Schafleger ins Senderstal gibt es fast nur übelsten Bruchharsch und ich bin nur in großen Abständen hin- und hergerutscht – Kraft verschießen wollte ich keine mehr. Bei der Kemater Alm durfte ich mir noch warmes Wasser holen und zum Hoadl rauf hatte ich eine frische Aufstiegsspur vom Nachmittag die noch nicht gefroren war und damit auch noch nicht rutschig – sehr angenehm. Beim Hoadlhaus war es schließlich stockdunkel, die Abfahrt über die Piste noch nicht gefroren.
Das Date in der Lizum war dann besser getimt und die letzten 400hm konnte ich mit Steffi hinter mich bringen. Nach 17 Stunden und 13 Minuten waren wir schließlich nach einer letzten Abfahrt mit tollem Pistenfirn bei der Talstation der Muttereralmbahnen und ich hab mich noch erstaunlich gut gefühlt.


Schlussbetrachtung & Eckdaten
Der Orient Express ist einfach eine traumhafte Runde quer durch die Stubaier Alpen. Da ich wieder die Uhr am Rucksack mit Akkupack hängen hatte, habe ich einen vollständigen GPS-Track und gute Übersichtsbilder:

Ausgerechnet habe ich vor der Runde 6020 Höhenmeter im Aufstieg mit etwa 25-30 Aufstiegskilometern und einen Zeitbedarf mit Polster von 22 h. Laut Uhr waren es 5860 hm und 58,7 km Gesamtstrecke mit Abfahrt – also passt das mit den gerechneten Höhenmetern aus der Karte zusammen. Aufstiegskilometer dürften es also nur knapp über 25 sein, da man mehr abfährt als aufsteigt. Im Video zeigt die Uhr am Birgitzköpfl nur 5830 hm weil ich erst ein paar Minuten nach Start in Winnebach GPS-Empfang hatte.
Ich musste nur vom Gleirschtal auf den Zischgeles raufspuren und konnte sonst schöne Spuren nutzen & die Temperatur war im optimalen Bereich zum Aufsteigen. Wenn wir unser Rendezvous am Zischgeles besser zeitlich abgestimmt hätten, wären sich unter 16 Stunden ausgegangen. Wohlgemerkt mit einem Airbagrucksack, keinen Rennski und einer Spiegelreflexkamera im Gepäck.
Was mir dazu noch einfällt
Du muasch’s dawarten, nit daspringen – und wenns dawartet hasch, nacha kunnsch’s daspringen :-)
Auf Deutsch: Man muss es erwarten, nicht erzwingen. Und wenn man auf einen geeigneten Tag gewartet hat, dann muss man die Chance packen und das Ganze durchziehen.
Chapeau Lukas!
Wieder mal eine Top Leistung!
Zeigt dass auch „vor der Haustür“ Abenteuer und Megatouren möglich sind !
Gratuliere!
Tolle Leistung und super Bilder!
Günter
Wahnsinn diese Leistung, eigentlich schon unmenschlich, gratuliere!
Bin ein großer Fan von dir und deinen Berichten, informiere uns bitte weiter so ausführlich über dein Sellraintal!
PS.: die Spuren ab Aufstieg Roter Kogel sind von mir, bin gestern den von dir beschriebenen Fotscher Express gegangen, hat mir leicht gereicht, am Schafzoll sollte meine Ski Brille liegen
Hut ab und diese Leistung wird dir keiner so schnell nachmachen!!!!
Hallo Markus,
der Wirt von der Kemater Alm hat mir von dir erzählt: „Da war heut schon einer da, der das macht.“
War sehr froh, dass du die alte Spur auf’s Hoadl frisch ausgetreten hast für mich – Danke :-)
super gemacht Lucas – gratuliere!!!!!!!!!!!!!!!!
schiane!
Unbeschreibliche Leistung!
Toller Bericht!
Mega Bilder!
gratuliere du viech !!!!!!!!! :D