Geologie der Nördlichen Stubaier Alpen | #DahoamimSellroan

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Die Sellrainer Berge sind ein Teil des Ötztal-Stubai-Kristallins und damit eine Untergruppierung der ostalpinen Decke (eine der vier geologischen Decken der Alpen). Damit stammt das Ausgangsgestein ursprünglich vom afrikanischen Kontinent bevor die Thetys – das ehemals existente Meer zwischen Afrika und Europa – geschlossen wurde und die Alpenentstehung eingesetzt hat.

Die kristallinen Gesteine in den Sellrainern sind allesamt Metamorphite, das sind Gesteine die aus anderen entstanden sind, also umgewandelt wurden. Umgewandelt im Laufe von Millionen von Jahren vor und während der Gebirgsbildung. Was wir heute an der Art von Steinen vorfinden, hängt vom Metamorphosegrad und natürlich ebenso vom ursprünglichen Ausgangsgestein ab. Die Umwandlung ist nicht überall gleich ausgeprägt. D.h. Druck, Temperatur und Dauer der beiden hat auf das Ausgangsgestein unterschiedlich eingewirkt. Teilweise finden wir nur schwach metamorphes Gestein, großteils jedoch kann man Ähnlichkeiten mit dem Ausgangsgestein mit bloßem Auge kaum mehr erkennen.

 

 

 

einiges los geologisch…
vereinfachte Karte. Grün umrahmt die Sellrainer Berge. Rot = Orthogneis, Rosa = Paragneis, Dunkelgrün = Amphibolit, Orange = Glimmerschiefer

In unserer Gegend gibt es in erster Linie Gneis. Gneis ist ein Sammelbegriff für ein großes Spektrum an umgewandelten Gesteinen. Daneben finden wir Glimmerschiefer, ebenfalls ein mit Gneis eng verwandtes Gestein, das allerdings eine eindeutige Schieferung aufweist und sich vom „normalen“, allgemein bekannten Schiefer u.a. durch den Glimmeranteil (Katzengold) unterscheidet. An einigen Stellen tritt Amphibolit zu Tage, wiederum für uns als Bergsteiger nur schwach unterscheidbar von Gneisen. Allerdings gibt es in den Sellrainer Amphibolitzügen eine der besten Fundmöglichkeiten für Andalusit weltweit.

Andalusit aus dem Horntal bei Lüsens

Für den Bergsteiger interessant ist die Unterscheidung zwischen Orthogneis und Amphibolit auf der einen Seite sowie Paragneis und Glimmerschiefer auf der anderen:

Orthogneis an der Plattigen Wand am Lüsener Ferner. In diesem Fall ein Granitgneis.

Orthogneis entsteht aus Magmatiten bzw. Plutoniten, also Gesteinen die aus dem Erdinneren stammen, in erster Linie fällt darunter Granit und seine Verwandten.

Paragneis und Glimmerschiefer hingegen besteht aus ursprünglichen Sedimentgesteinen, also Gesteinen die sich auf dem Grund eines Meeres ablagern, das können Kalksteine (hoher Anteil an abgestorbenen Kleinstlebewesen), Tonsteine (niedriger Anteil der genannten) oder Sandsteine sein.

In unserem Fall besteht der Paragneis vornehmlich aus ursprünglichem Tonstein, nicht aus einem Kalkstein. Der Orthogneis entstand aus Granit oder Granodiorit.

Unterscheiden kann man die beiden anhand ihrer Farbe und ihrer Art zu verwittern: Paragneis ist dunkler und gräulich, Granitgneis ist rötlich und verwittert ähnlich wie Granit während sich Granodioritgneis weiß-gesprenkelt zeigt und eine stärkere Neigung zum Vorhandensein von plattigen Strukturen aufweist.

Interessant ist die Eignung zum Klettern aufgrund der Bildung von Wänden oder scharfen Graten beziehungsweise die Brüchigkeit dieser Gesteine:

Am besten geeignet zum Klettern ist Granitgneis und Granodioritgneis, gefolgt von Amphibolit – dann kommt der Paragneis wo man sich schon im Bruchhaufen wiederfindet und im Glimmerschiefer gibt es praktisch keinen festen Bereich mehr.

Aber grau ist all die Theorie, lassen wir Fotos sprechen:

Mugkogel, Kühtai. links unten Orthogneis, rechts oben Amphibolit
Hohe Villerspitze mit Horntaler Joch und Schafgrübler
Detail Überlagung von Amphibolit auf Paragneis am Hohe Villerspitze Normalanstieg. Links heller und anders strukturiert der Amphibolit, rechts der Paragneis.
Übergang Orthogneis links zu Paragneis rechts auf der Reiche (Räuhengrat). Erkennbar an Farbe und Strukurierung.
Orthogneisinsel der Peiderspitzen auf deren Südseite kommt nur Granitgneis vor.
Die Nordseite der Peiderspitzen präsentiert sich hingegen sehr abwechslungsreich.
Rot = Orthogneis
Blau = Amphibolit
Braun = Paragneis

 

Orthogneis, Paragneis und Glimmerschiefer unterscheiden sich ebenfalls in der Form der Berge die aus ihnen gebaut sind: Während Orthogneis zackige Formen mit glatten Wänden und verhältnismäßig großen Bruchstücken bildet, wandelt sich die Gestalt Richtung Paragneis zum Glimmerschiefer immer weiter zu kleinen Bruchstücken und eher rundlichen Bergformen, z.B. der Lampsenspitze, hohe, sehr steile oder gar senkrechte Wände fehlen hier vollends.

Der Fernerkogel: Steile Berge aus Granitgneis, eine Unterart von Orthogneis (hier mit einer Quarzader)
Detail Fernerkogel

Leider hört man immer wieder, dass unsere Orthogneise Granit wären. Leider stimmt das nicht, die Verwandtschaft ist allerdings zweifelsohne nicht abzustreiten.

der Cosmique Grat in Chamonix besteht aus wahrem Granit. Granit ist noch satter rot, die Bruchstücke wesentlich größer als von Granitgneis des hinteren Lüsenstales und die Form noch zackiger
Der Fernerkogel von Lüsens gesehen, Man erkennt die Überschiebung des Granitgneis auf den Paragneis am Nordgrat anhand des grünen Bewuchses im Paragneis und der unterschiedlichen Struktur: Paragneis ist feiner strukturiert.

 

Orthogneise deren Bruchstücke auf dem Grat größer sind als ein PKW. Schlossköpfe
Acherkogel und Maningkogel bestehen aus Granodioritgneis also aus einem nur schwach umgewandelten Granodiorit und zeigen viele Abschnitte mit großen Felsplatten
plattige Gestalt des Maningkogel = Granodioritgneis
Der Piz Badile im Bergell besteht aus nicht umgewandeltem Granodiorit und dementsprechend präsentiert er sich als reine Plattengestalt
am Acherkogel. Die eigentlich weiß-gesprenkelte Farbe von Granodiorit und Grandioritgneis tritt nur dort zu Tage, wo etwas frisch herausgebrochen ist. Der Rest wird durch Verwitterung und Flechtenbewuchs dunkler.

 

An speziellen Erscheinungen finden wir neben dem Andalusitvorkommen bei Lüsens und am Gaiskogel zusätzlich Granate. Diese sind viel seltener zu finden als z.B. am Granatenkogel im Ötztal und um Klassen weniger schön anzuschauen.

Granaten in Amphibolit in der Fernerkuchl im Fotschertal
nur schwach ausgeprägt am Zischgeles

Glimmerschiefer der mehr an Schiefer als an Gneis erinnert, findet man am Übergang vom Gleirscher Rosskogel zum Zwieselbacher Rosskogel (mittlerweile bekannt als „Via Mandani“). Dort tritt an einem kleinen Gang der über den Grat verläuft der Glimmeranteil stark zurück, die Schieferung wird feiner. Hier lassen sich perfekt glatte Platten herausbrechen die uns als laienhafte Bergsteiger an richtigen Schiefer erinnern, dessen Platten sind allerdings wesentlich größer als die des Glimmerschiefers.

der Schiefergang am Gleirscher Rosskogel

 

oben links: Paragneis mit hohem Anteil an Eisenrost und Glimmer. Oben Mitte: Glimmerschiefer aus dem Gleirschtal, zerbröselt unter hoher Belastung. Oben rechts: Paragneis mit Hornblende vom Seejoch. Unten links: Glimmerschiefer vom Gleirscher Rosskogel der sich nur mehr schwach von echtem Schiefer unterscheidet. Unten rechts: Granodioritgneis vom Gipfel des Acherkogel

 

 

Es muss nicht immer wissenschaftlich sein, um interessant zu sein :-) Faltungen am Pirchkogel
Ein klassisches Beispiel: Gneis wird zumindest im deutschen Sprachraum fast immer für Granit gehalten

 

2 Gedanken zu “Geologie der Nördlichen Stubaier Alpen | #DahoamimSellroan

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