Schwachschichten im Süden durch Kalt auf warm & eingeschneiten Oberflächenreif Dünne, heimtückische Schwachschichten südlich des Alpenhauptkammes | SchneeGestöber #7 20/21

Schwachschichten im Süden durch Kalt auf warm & eingeschneiten Oberflächenreif Dünne, heimtückische Schwachschichten südlich des Alpenhauptkammes | SchneeGestöber #7 20/21

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In Südtirol, Osttirol und Oberkärnten gibt es derzeit einige, leicht auslösbare Schwachschichten in der Schneedecke in gewissen Höhenlagen und Expositionen. Wir schauen uns dazu zwei aktuelle Profile aus Osttirol an.

Profil 1, 07.01.2021, Tullkogel, 2515m, S, 27°

Das Schneeprofil wurde vom LWD Tirol zur Mittagszeit in den Deferegger Bergen Osttirols in einem 27° steilen Südhang aufgenommen. Am Standort liegt 190cm Schnee, es ist -9,5°C kalt und wolkenlos.

Für uns interessant ist der Aufbau der Schneedecke bis zu einer Schneehöhe von 120cm hinunter. Von 190cm bis 125cm liegt das Schneebrett für die potentielle Lawinenauslösung. Mit einer Mächtigkeit des Bretts von 65cm sind die Schwachschichten darunter nicht mehr ganz so leicht störbar. Allerdings kommen bei dieser dicken Auflage schon bei von der Fläche her kleinen Lawinen große Schneemengen zusammen die als Schneebrettlawine ins Tal rutschen.

Auf etwa fünf Zentimetern gesamt gibt es bei einer Höhe von 125cm bis 120cm eine Abfolge von drei dünnen Kantigen Schwachschichten und zwei Schmelzkrusten dazwischen. Die oberste Schwachschicht liegt direkt unterhalb des potentiellen Schneebretts auf einer Kruste die durch Regen und Wärme vor Weihnachten gebildet wurde. Auf diese Kruste schneite es in den letzten Dezembertagen kalten Neuschnee drauf. Dadurch entwickelten sich die Kantigen Kristalle am Übergang von der Altschneeoberfläche zum Neuschnee. Da es in Osttirol seitdem wieder gewaltige Neuschneemengen gab, liegt nun das mächtige Brett über der Schwachschicht. Die Kristalle der Schwachschicht sind nicht besonders groß – etwa 1mm im Durchmesser, aber sehr weich (Härte 1, blauer Balken geht nur bis zum ersten Strich nach links raus).

Unterhalb der ersten Schmelzkruste gibt es dann wieder eine dünne, Kantige Schicht aus sehr kleinen Kristallen die relativ weich ist. Gefolgt von der zweiten, hauchdünnen Schmelzkruste und einer härteren, nicht allzu ausgeprägten kantigen Schicht.

Unterhalb von 120cm finden wir eine kompakte Altschneedecke mit einer wenig besorgniserregenden, aufbauend umgewandelten Schicht bei etwa 55cm.

Interessant ist das Testergebnis: In der kantigen Schicht unter dem Neuschnee und oberhalb der obersten Schmelzkruste, konnte bei zwei ECTs jeweils ein Bruch über den gesamten Block erzeugt werden. Und zwar beim 21. und beim 16. Schlag. Daraus können wir schließen, dass die Schneedecke in den Bereichen wo sich diese Schicht ausgeprägt hat – je nach Mächtigkeit des überlagernden  Bretts – bereits bei geringer Zusatzbelastung auslösen lässt, eine Bruchausbreitung zustande kommen kann und in weiterer Folge eine Schneebrettlawine entsteht. Oder aber bei geringerer Steilheit ein Setzungsgeräusch samt Rissbildungen im Schnee auslösbar ist.

Profil 2, 07.01.2021, Pürglers Kunke, 2440m, O, 40°

Das Profil wurde im Nahbereich einer ausgelösten Lawine in den Deferegger Bergen gegraben und zeigt die zweite Art von Schwachschicht, auf die der LWD Tirol momentan in seinem Blogeintrag und dem täglichen Lawinenreport hinweist.

In einer 150cm mächtigen Schneedecke gibt es grob gesehen drei Bereiche: Das potentielle Schneebrett von 150cm bis 115cm, dann eine gut ausgeprägte Schwachschicht aus bis zu 5mm großen Oberflächenreifkristallen und darunter ein kompakter Altschneestock bis zum Boden.

Bei zwei Extended Column Tests konnte jeweils ein Bruch über den gesamten Block ausgelöst werden, und zwar beim 13. sowie 23. Schlag.

Die Schlussfolgerung aus dem Aufbau, dem Test und der Art von Schwachschicht ist exakt dieselbe wie beim obigen Profil: Schneebrettauslösung bereits bei geringer Zusatzbelastung möglich.

Fazit

Momentan meist toller Pulver bei mächtiger Schneedecke im Süden – allerdings mit derzeit noch unfallträchtiger Lawinensituation.
(Symbolbild aus Nordtirol)
Schneelage in Kartitsch in Osttirol Anfang Jänner 2021. Foto: Christof Strasser

Die Profile bestätigen neben den zahlreichen spontanen wie von Wintersportlern ausgelösten Lawinen eindrucksvoll die momentane Situation südlich des Alpenhauptkamms in den Hauptniederschlagsgebieten der letzten zwei Wochen. Der Euregio-Lawinenreport geht momentan von einem Hauptproblembereich der kantigen Schwachschicht durch das Gefahrenmuster „Kalt auf warm“ in besonnten Hängen zwischen 2300 und 2600m aus.

In schattseitigen Hängen findet sich in diesen Gebieten eine nicht weniger auslösefreudige, allerdings aus einem anderen Prozess gebildete Schwachschicht: Oberflächenreif der vor allem in einem schmalen Höhenband um 2200m eingeschneit wurde und jetzt ein Problem in der Schneedecke darstellt.

Für die Tourenplanung relevant ist nicht nur die leichte Auslösbarkeit der Schichten und deren räumliche Verteilung, sondern auch ihr Potential zur Erzeugung von Fernauslösungen: Beide Schwachschichten zählen zum Altschneeproblem und führen in dieser Konstellation gerne zu Fernauslösungen.

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