25.12.2020 | SchneeReport Kühtai-Sellraintal | #3 20/21 Pulver auf meist ruppiger Unterlage

25.12.2020 | SchneeReport Kühtai-Sellraintal | #3 20/21 Pulver auf meist ruppiger Unterlage

Lesezeit: 13 min

Etwas Neuschnee bringt zumindest kurzfristig ein paar nette Schwünge. Der Neuschnee deckt aber durch stürmischen Westwind gebildete Triebschneepakete zu. Daneben könnten sich neue Schwachschichten am Übergang Altschneeoberfläche zu Neuschnee bilden. Es ist Frühwinter und die Zeit zum „Schiach toan“ ist einfach noch nicht gekommen. 

 

Gesamtschnee

Nach der Setzung des Neuschnees vom Nikolauswochenende gibt es in den nordwestlichen Sellrainer Bergen eine für die Jahreszeit in etwa durchschnittliche Schneehöhe. Quelle: Hydro Online

Die Maximalschneehöhe vom extremen Schneefall vom Nikolauswochenende haben sich inzwischen bei mir vorm Haus (mit ein wenig mehrmaligem, nachfolgendem Neuschnee) inzwischen von etwa 125cm auf 53cm gesetzt.

Im Kühtaier Eck bewegt sich die Schneehöhe somit in etwa auf Durchschnittsniveau in allen Höhenlagen für die Jahreszeit. In den südöstlichen Sellrainern finden wir deutlich überdurchschnittlich viel Schnee für Ende Dezember.

Alle Skitouren sind machbar. In den Blockhalden des nordwestlichen Wörgetals grad so ohne Steinski, auf den grasigen Buckeln des östlichen Fotschertales ohne einen Gedanken, überhaupt einen Stein treffen zu können.

Viel Schnee für Ende Dezember in Lüsens und Praxmar
Besonders lässig heuer: Da es beim Extremschneefall von Anfang Dezember im Sellrain mit fast null Wind geschneit hat, liegt auch dort Schnee, wo man sonst fast nie welchen antrifft. Hier die, in normalen Wintern, oft vollständig freigeblasenen Westhänge unterhalb von Sömen & Rotem Kogel
Blick vom Roten Kogel zum Sömen
Oft sind die Hänge am Bild selbst in schneereichen Wintern fast vollständig aper.
Eingeschneite Mulden am Grat zum Roten Kogel

Im nordwestlichen Eck der Sellrainer Berge präsentiert sich die Schneelage deutlich anders.

Feldringer Böden. Das geübte Auge erkennt auf Anhieb den Schneemengenunterschied zu den südöstlichen Bergen.
Nach der massiven Setzung der Schneedecke kommt jetzt mehr und mehr die Wirklichkeit zum Vorschein: Gesamtheitlich gesehen liegt natürlich noch nicht extrem viel Schnee.
Das wahre Gesicht der Gesamtschneemenge. Es ist halt Dezember.
Die Monatsauswertung der ZAMG zeigt auch schön den scharfen Gradienten in der Niederschlagssumme zwischen Nordwest und Südost.

 

Neuschnee

Neuschnee in den Sellrainer Bergen laut SNOWGRID @Powderguide.com. Im Sellrain gab es seit Heiligabend recht gleichmäßig verteilt meist zwischen 10 und 20cm Neuschnee.

 

Schneequalität

Durch Menschenmassen, mehrtägigen Sturm, Regen und Wärme ist die Unterlage meistens ungleichmäßig beschaffen. Unter dem Neuschnee gibt es meist ruppig-zerfahrenen Altschnee, Bruchharsch oder windgepressten Schnee. Da es nicht so viel geschneit hat, halten sich die Abfahrtsfreuden durch häufigen Kontakt mit dem Untergrund etwas in Grenzen. Der top, bottomless Powder ist es nicht. Aber für ein paar nette, skischuhhohe Schwünge langts allemal.

Volle Parkplätze im Sellrain derzeit fast täglich ab spätestens 10 Uhr. Und das sogar ohne unsere bayrischen Tagesgäste.
Lösungen für das Parkchaos werden langsam nicht nur in Garmisch, im Allgäu oder am Weerberg gebraucht, sondern auch zunehmend im Sellrain. Was früher an zwei oder drei Wochenenden der Fall war, wird jetzt zur Standard-Situation an allen Tagen aus der Kombi Freizeit-Schönwetter.
Lüsens
Auf den meisten Bergen hörte man am vergangenen Wochenende mehr Unterlandlerisch als die Mundarten der Innsbrucker Gegend.
Für ein netten Pulver langt der Neuschnee aber wieder. Und Norbert…
… wie Aria freuts auch.

 

Heimtückisches in Sachen Lawinen

Auch das bedenken, was man von außen nicht (mehr) sehen kann… (Archivbild)

Verstecktes Triebschneeproblem

In Rot der Temperatursturz, beginnend am 24.12.. In Rosa der Weststurm vorher und in Blau die tiefwinterlichen Temperaturen ab 25.12.

Zwischen Montag, dem 21.12. und dem 24.12. gab es auf den Bergen mehrere Tage starken bis stürmischen Westwind. Dadurch wurde Schnee umfangreich verfrachtet und damit großflächig Triebschnee gebildet. Durch den eher ruhig gefallenen Neuschnee seit dem 24.12. sind die vorher gebildeten Triebschneepakete teilweise kaum, aber meist gar nicht mehr sichtbar. Es gibt nun einige Tage eine selten Situation: Ein verstecktes Triebschneeproblem – ähnlich heimtückisch wie ein klassisches Altschneeproblem. Durch die tiefen Temperaturen bleibt der Triebschnee länger störbar.

Schwachschichtentwicklung durch „Kalt auf warm“

Man erkennt mit Einsetzen des Schneefalls einen Temperatursturz von mehr als 10°C

Wie so oft im Winter war der stürmische Westwind von sehr hohen Temperaturen begleitet. Zusätzlich regnete es am 22.12. bis etwa 2400m. Die Schneedecke wurde dadurch noch bis ein gutes Stück weiter hinauf feucht.

Beginnend mit dem 24.12. sind die Temperaturen in den Keller gerasselt und kalter Neuschnee ist auf die warme und/oder feuchte Schneeoberfläche draufgefallen. Damit gibt es ein massives Temperaturgefälle innerhalb von wenigen Millimetern an der Grenze von Altschneeoberfläche zu Neuschnee. Dies führt zur Bildung von neuen, aufbauend umgewandelten Schwachschichten. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie sich so stark ausprägen, dass sie uns Probleme machen können.

Wo – also in welcher Höhenlage und Exposition – und ab wann das für die Tourenplanung relevant wird, kann man noch nicht sagen. Noch fehlen Schneedeckenuntersuchungen dazu. Am besten verfolgt man dazu akribisch den täglichen Lawinenreport und die Blogeinträge des LWD Tirol.

Aber was heißt das jetzt für die Touren ab Weihnachten? Die Antwort darunter im Fazit.

Bodennahe, schattseitige Schwachschichten vom Herbst

Lawinenauslösung der November-Schwachschichten am Pirchkogel vom 15.12.
Lawinenauslösung aufgrund der November-Schwachschichten am Rietzer Grieskogel vom 12.12. Foto: Paula Spannring

Eine Störung des bodennahen Altschneeproblems in steilen, schattseitigen Hängen ist immer noch denkbar – aber vor allem bei uns im Sellrain inzwischen weniger wahrscheinlich geworden. Der LWD nennt das bodennahe Altschneeproblem aber immer noch im Lawinenreport für NW-N-NO-Hänge oberhalb von 2200m.

Die Gebiete im Nordwesten Tirols und in Vorarlberg und in Teilen Bayerns haben jetzt aber teilweise das perfekte, kalte, spröde Triebschneebrett bekommen das super mit den Schwachschichten zusammenspielt um Schneebrettlawinen auslösen zu können.

Fazit für die Tourenplanung 

Es ist Frühwinter. Die Zeit zum „Schiach toan“ ist noch nicht da. Das Hauptproblem: Die tief stehende Sonne kann vorhandenen Schwachschichten in den meisten Bereichen nicht zerstören. Und eine selbstständige Besserung von Schwachschichten dauert ohne Strahlungseinwirkung gefühlt einfach ewig lange. Mit den nun tiefen Temperaturen bis zumindest über Neujahr geht die Besserung von Schwachschichten noch einmal langsamer.

Daneben sieht man den Triebschnee von Mitte der Woche nach dem Sturm nicht mehr. Und irgendwo werden sich wahrscheinlich neue Schwachschichten bilden – und keiner weiß mit Stand 25.12., wo genau das für eine Lawinenauslösung relevant werden könnte.

Ja, man kann bei uns schon vieles durch die Schneemenge machen – aber muss man das jetzt schon? Meine Risikobereitschaft sagt mir: Nein, dafür ist mir mein Leben zu viel wert. Wer die steilen, schattseitigen Touren machen will, kann das gerne tun – das Risiko ist zwar im Verhältnis massiv erhöht aber gesamtheitlich gesehen passiert doch Gott sei Dank immer wenig. Das zeigt die massenhafte Begehung der Lüsener Villerspitze, des Zischgeles, des Kuhwachters oder des Schöllerkogels vom vergangenen Wochenende.

Ich bleibe im Trainingsmodus, genieße den Pulver in den weniger steilen Bereichen wo die Sonne auch Ende Dezember hin scheint. Und wenn die Zeit für steile Touren kommt, stehe ich in erster Reihe parat.

Ausblick

Ab Sonntag, dem 27.12. soll es wieder Südstau und Föhnsturm geben. Die Karten werden wieder neu gemischt. Lassen wir’s auf uns zukommen.

Unterstützung

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Der SchneeReport und die anderen Produkte bedeuten einen immensen Aufwand für mich. Unzählige Nächte um die Daten zu sammeln, die Fotos auszulesen und zu bearbeiten, mir über die Situation Gedanken zu machen und das Ganze dann komprimiert darzustellen und zu formulieren.

Wenn du mir eine Wertschätzung dafür entgegenbringen möchtest und dazu beitragen willst, weiterhin Zeit in diese Arbeit investieren zu können und den SchneeReport und das SchneeGestöber zu erhalten, freue ich mich um einen Förderbeitrag.

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Lukas Ruetz

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Vielen Dank!

Fotostrecke

Fotschertal
Kühtai
Kühtai

Die verschneiten Bereiche am Sömen

Für Einheimische und Gebietskenner wirklich interessant. Ich hab sie bis jetzt noch nie so gesehen.

Lawine Pirchkogel

Kammnaher und schneearmer Auslösebereich
Große Schollen, kleine Aria

Die großen Schwimmschneekristalle sind bereits von weitem mit bloßem Auge erkennbar.
Die Felsen zeigen gut die relative Schneearmut des Auslösebereichs

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