Warum klarer Himmel für Schwachschichtbildung öfter die entscheidende Rolle spielt als tiefe Temperaturen Die Entwicklung von Altschneeschwachschichten geht weiter | SchneeGestöber #2 20/21

Warum klarer Himmel für Schwachschichtbildung öfter die entscheidende Rolle spielt als tiefe Temperaturen Die Entwicklung von Altschneeschwachschichten geht weiter | SchneeGestöber #2 20/21

Lesezeit: 12 min

Täglich grüßt das Murmeltier mit Sonnenschein und einem meist wolkenlosen Himmel. Vor allem in Nähe der Oberfläche herrscht in der Schneedecke dadurch ein massives Temperaturgefälle auf wenigen Zentimetern – oft trotz Plusgraden bis auf die Berge.

Mit jedem Schönwettertag arbeitet der Ameisenhaufen der Schneedecke unter Hochdruck an der Bildung von Altschneeschwachschichten weiter. Meist lernt oder hört man, dass tiefe Temperaturen für die Bildung von aufbauend umgewandelten Schwachschichten verantwortlich sind. Allerdings herrschen momentan – wenn überhaupt – nur leichte Minusgrade, auch auf den höheren Bergen. Natürlich ist das Gehörte nicht falsch: Kälte begünstigt natürlich die großflächige, aufbauende Umwandlung in der Schneedecke. Viel häufiger ist allerdings eine lange Schönwetterperiode mit eher warmen Verhältnissen bei niedrigem Sonnenstand im Herbst, Früh- oder Hochwinter als tiefe Temperaturen für die Schwachschichten verantwortlich. Weil sich für die Schneedecke der gleiche Effekt damit ergibt.

In steileren, sonnseitigen Hängen ist die Energiebilanz der Schneeoberfläche über mehrere Stunden am Tag durch die kurwellige Strahlung stark positiv. Dadurch schmilzt die Schneedecke ab. Schattseitig schmilzt derzeit gar nichts – auch bei Temperaturen über 0°C. Die Schneeoberfläche wird durch den klaren Himmel massiv gekühlt. Großflächige Altschneeschwachschichten entstehen.

Einfluss des Temperaturgefälles

Ausschlaggebend für die Art der Umwandlung in der Schneedecke ist der Temperaturgradient. Also die Stärke der Temperaturänderung pro Länge. Also wie viel Grad die Temperatur sich pro Längeneinheit verändert. Auf gut Deutsch, wie stark sich ein Temperaturgefälle ausgeprägt ist. Wenn die Schneedecke überall gleich temperiert ist, beispielsweise von oben bis unten überall -5°C kalt, wird im Ameisenhaufen aber genauso stark gearbeitet. Allerdings nicht in der aufbauenden Umwandlung, sondern in der abbauenden Umwandlung. Die Schneedecke wird dann kompakter und die Schneekristalle kleiner und runder.

Die Ameisen beginnen den Haufen in Form der aufbauenden Umwandlung zu verändern, sobald der Temperaturgradient sich auf 0,15°C pro Zentimeter ändert, oder 15°C pro Meter. Die Kristalle werden dann kantiger, größer und locker. Je größer der Temperaturunterschied auf kleinem Raum wird, desto stärker wird die aufbauende Umwandlung.

Mitte Oktober bestand die relativ junge Schneedecke schattseitig noch meist aus Neuschnee, kleinen Runden, Schmelzkrusten und Schmelzformen.

Einfluss der Absolut-Temperatur

Aber auch die Absolut-Temperatur ist ausschlaggebend: Eine durchgehend auf -15°C temperierte Schneedecke baut sich langsamer abbauend um als eine durchgehend -1°C temperierte Schneedecke.

In Physik in der Schule hat man mal gelernt: Temperatur ist nichts anderes als die Bewegungsgeschwindigkeit der Moleküle. Je wärmer es ist, desto schneller zappeln diese. Je wärmer es in einer Schneedecke ist, desto schneller baut sich diese um – egal ob abbauend oder aufbauend. Weil die Ameisen darin einfach schneller arbeiten können. Eine Oberflächentemperatur bei einer 1m mächtigen Schneedecke von -15°C und einer Temperatur der Schneedeckenbasis von 0°C weist den exakt gleich stark ausgeprägten Temperaturgradienten auf, wie eine Schneedecke mit einer Oberflächentemperatur von -31°C und bei einem Meter unter der Oberfläche mit -16°C. Der Gradient beträgt jeweils 15°C auf 1m Schneehöhe. Trotzdem ist die aufbauende Umwandlung im absolut wärmeren Bereich wesentlich stärker – weil dort schneller gearbeitet und umgewandelt wird.

Die Oberflächentemperatur

Da die Schneedecke an ihrer Basis immer 0°C oder nur wenig kälter ist, spielt die Oberflächentemperatur der Schneedecke die Hauptrolle für die Bildung persistenter Schwachschichten bei einem bodennahen Altschneeproblem.

Die Oberflächentemperatur ist ein Produkt aus

  1. Einstrahlung
  2. Abstrahlung
  3. Lufttemperatur
  4. Luftfeuchtigkeit

Alle vier Parameter spielen eine wesentliche Rolle.

Die Lufttemperatur steht in direktem Austausch mit der Schneedecke durch die „Berührung“ – wie wenn wir auf eine heiße oder kalte Herdplatte greifen und sich die Wärme von der Platte auf die Hand überträgt. Man spricht hier von der fühlbaren Wärme oder Wärmeleitung.

Die Luftfeuchtigkeit beeinflusst die Oberflächentemperatur durch die Sublimation der Schneedecke. Je weniger Luftfeuchtigkeit, desto stärker „verdampft“ der Schnee an der Oberfläche weil mehr Wasser in der Luft Platz findet. Verdampfen oder verdunsten kühlt die Schneeoberfläche. Je mehr Schnee sublimiert, desto stärker wird die Oberfläche damit gekühlt. Man spricht hier von der latenten, versteckten Wärme. Weil sie erst frei wird oder entzogen, sobald ein Phasenübergang stattfindet. Von fest zu gasförmig entzieht Wärme. Von gasförmig zu fest – also wenn sich Reif am Boden bildet – wird ein bisschen Wärme frei.

Verlauf der Schneeoberflächentemperatur und der Lufttemperatur an einer Station in der Schweiz.

Bei der Strahlung unterscheiden wir jeweils kurzwellige Strahlung, also die Sonnenstrahlung für uns, und langwellige Strahlung, also die Wärmestrahlung die man von der Infrarotkabine kennt. Kurzwellige Strahlung erzeugt der Schnee von selbst keine. Er kann nur durch kurzwellige, einfallende Strahlung erwärmt werden. Nicht aber durch das eigene Ausstrahlen kurzwelliger Strahlung abkühlen.

Bei der langwelligen Strahlung schaut das ganze anders aus. Schnee ist der perfekte Strahler im langwelligen Bereich – ein sogenannter schwarzer Körper. Nur sehen wir Menschen mit unseren Augen nur kurzwellige Strahlen. Schnee strahlt durchgehend massiv Wärmestrahlung ab und kühlt dadurch aus. Und jetzt kommen wir zum springenden Punkt.

Der klare Himmel

Ist der Himmel wolkenfrei, kommt keine langwellige Strahlung von Wolken retour zur Schneedecke. Meist spricht man der Einfachheit halber von der Reflexion der langwelligen Strahlung an einer Wolkendecke. Das ist so nicht ganz richtig, ändert aber nichts am Verständnis. Eigentlich nehmen die Wolken die langwellige Strahlung der Erdoberfläche auf – in unserem Fall von der Schneedecke. Sie wandeln diese Strahlung in Wärme um und im Gegenzug strahlen sie wieder „neue“, langwellige Strahlung Richtung Erdoberfläche ab.

Im Endeffekt kann sich die Schneeoberfläche bei einem Wolkenschirm wenig bis kaum abkühlen. Meist bleibt sie dann im Bereich der Lufttemperatur stehen. Ist die Luft deutlich wärmer als 0°C, kann die Schneedecke natürlich nicht so warm werden wie die Luft. Dann schmilzt sie einfach stattdessen dahin.

Bei klarem Himmel kühlt sich die Schneeoberfläche massiv unter die Lufttemperatur ab. In Kombi mit niedriger Luftfeuchtigkeit geht das bis 20°C unter die umgebende Lufttemperatur.

Derzeit bewegt sich die Schneeoberfläche meist 7 – 15°C unterhalb der Lufttemperatur. Dort wo die Sonne nicht oder nur ganz flach hinscheint, ist das 24h pro Tag der Fall. Dort wo die Sonne noch kurzwellige Strahlung hinbringt, kann sich die Schneedecke für wenige Stunden deutlich erwärmen.

Verlauf der Schneeoberflächentemperatur und der Lufttemperatur an einer Station in Bayern. Die Schneeoberfläche ist -14°C kalt, die Luft liegt bei +2°C.
Verlauf der Schneeoberflächentemperatur und der Lufttemperatur an einer Station in Tirol. In Rot die Lufttemperatur, in Grau die Oberflächentemperatur, in Blau der Taupunkt (Maß für die Luftfeuchtigkeit). Der Standort wird im Gegensatz zu den anderen, beiden Stationen stärker besonnt. Dadurch erwärmt sich die Schneeoberfläche trotz langwelliger Ausstrahlung für wenige Stunden pro Tag immer auf 0°C. Sobald die Sonne untergeht, kühlt sie sich aber wieder deutlich unter die Lufttemperatur ab. Die Station misst zwar keine Schneehöhe – dennoch muss dort Schnee liegen. Sonst würde sich die Oberflächentemperatur des Bodens auf über 0°C durch die Sonneneinstrahlung erwärmen.

Der derzeitige Temperaturgradient

Damit ergibt sich momentan ein massiver Gradient in der Schneedecke. Vor allem in nicht besonnten Bereichen rund um die Uhr.

Massiv ist der Gradient nicht nur durch die tiefe Oberflächentemperatur sondern auch durch die geringe Schneehöhe. Bei wenig Schnee ist die Temperaturänderung pro Zentimeter bei gleicher Oberflächentemperatur schließlich stärker als bei viel Schnee.

Fazit

Meist gibt es im Frühwinter eher warme, lang anhaltende Hochdrucklagen. Diese sind fast immer die Verantwortlichen für die Bildung eines bodennahen Altschneeproblems. Natürlich baut auch eine lang anhaltende Kältewelle die Schneedecke stark aufbauend um. Wenn es lange extrem kalt bei klarem Himmel bleibt, ist die Umwandlung noch intensiver. Nur gibt es das sehr, sehr selten in dieser Form.

Ende November hat sich in der Schneedecke fast alles verändert. Es gibt nur praktisch nur mehr eine Abfolge aus Krusten und stark aufbauend umgewandelten Schichten dazwischen. Sogar Schwimmschnee war bei diesem Profil von Mitte November schon dabei. Eine bösartige Kombination sobald ein geeignetes Schneebrett draufkommt.
Der einzige „Neuschnee“ derzeit.

4 Gedanken zu “Warum klarer Himmel für Schwachschichtbildung öfter die entscheidende Rolle spielt als tiefe Temperaturen Die Entwicklung von Altschneeschwachschichten geht weiter | SchneeGestöber #2 20/21

  1. Hi Lukas,
    Vielen dank!
    Aufpassen ist jetzt das schlüsselwort mit den erwarteten Neuschneemengen würde ich mal sagen. Da mann den schwachschichten unten den Neuschnee schwer sehen kann.

    LG,
    Remco Graas

Schreibe einen Kommentar

error: Content is protected!