Gamsblindheit im Sellrain

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Die Gamsblindheit befällt derzeit massiv Gämsen und Steinböcke in Tirol, insbesondere im Sellraintal und seinen Seitentälern. Bei einem Teil der Tiere kann die bakterielle Erkrankung ausheilen, bei anderen führt sie zur vollständigen Erblindung. In jedem Fall sind erkrankte Tiere zumindest temporär sehbehindert und damit auf die anderen Sinne angewiesen. Auf Gämsen und Steinböcke sollten wir Wintersportler derzeit besondere Rücksicht nehmen. Das heißt: Als Tourengeher weicht man nach Möglichkeit großräumig aus bzw. bei einem unerwarteten Treffen ziehen wir Sportler den Rückzug an – denn erkrankten Tieren ist eine Flucht nur mehr eingeschränkt bis gar nicht möglich.

Pressemitteilung des Tiroler Jägerverbandes:

Mensch beeinflusst Überlebenschance

erblindete Gams. Foto: R. Gadient

Aktuell verzeichnet die Tiroler Jägerschaft vermehrt Fälle von Gamsblindheit. Die höchst infektiöse Krankheit kann innerhalb von kürzester Zeit eine ganze Population befallen und Sterberaten von bis zu 40 % verursachen. Die beste Medizin ist absolute Ruhe!

Die Gamsblindheit oder auch Infektiöse Keratokonjunktivitis (IKK) ist eine höchst ansteckende Augenkrankheit, die vorübergehende und im schlimmsten Fall dauerhafte Blindheit bei Gämsen und Steinböcken verursacht. In diesem Herbst wurden von Tirols Jägern zahlreiche Fälle von Gamsblindheit-Erkrankungen bei Gamswild und teilweise auch bei Steinwild gemeldet. Die für den Menschen ungefährliche Krankheit kann sich selbst bei geringen Bestandsdichten sehr rasch weit verbreiten und hohe Ausfälle in den heimischen Beständen von Gams- und Steinwild hervorrufen.

Starker Tränenausfluss und verklebte, geschwollene Augen zeigen das typische Krankheitsbild. Der Tiroler Jägerverband bittet daher in den betroffenen Gebirgsregionen um Rücksichtnahme: „Solange die Tiere erblindet sind, sind sie ihrer Umgebung mit allen Gefahren ausgeliefert – oft stürzen die erkrankten Tiere über Felswände ab oder sind geschwächt, da sie keine Nahrung finden. Absolute Rücksichtnahme und Vermeidung von Störungen sind die einzige Medizin, welche wir den Wildtieren bieten können“, betont Landesjägermeister Anton Larcher. Man soll sich daher erkrankten Tieren auf keinen Fall nähern, denn für befallene Tiere gibt es dank ihrer natürlichen Abwehrkräfte, je nach Verlauf der Krankheit, relativ gute Überlebenschancen. Voraussetzung dafür sind ruhige Rückzugsorte, an denen die Gämsen verweilen können bis die Krankheit im besten Fall vollständig ausheilt. Fühlt sich die Gams bedroht, flieht sie naturgemäß ins steile Gelände, in dem sie sich durch die verminderte Sehfähigkeit einem hohen Verletzungsrisiko aussetzt.

„Die Jägerschaft ist gemeinsam mit den Behörden für die Überwachung von Wildtierkrankheiten in Tirol zuständig.  Ein Hegeabschuss ist erst bei verletzten oder dauerhaft, vollständig erblindeten Tieren sinnvoll und vor allem aus Tierschutzgründen notwendig!“, so der Tiroler Landesjägermeister.

Die IKK ist die häufigste bakterielle Augenerkrankung und kann neben Gams- und Steinwild auch Muffel, Schafe und Ziegen betreffen. Schafe gelten allerdings als Erregerreservoir, da bei ihnen die Krankheit nur sehr abgeschwächt verläuft oder befallene Tiere kaum Symptome zeigen. In der Veterinärmedizin kann das Krankheitsbild in vier Stadien eingeteilt werden:

  • Stadium I: Tränenfluss, Lichtscheue, Lidbindehautentzündung
  • Stadium II: Hornhautentzündung
  • Stadium III: starker Tränenfluss, eitrige schleimige Lidbindehautentzündung, gelbe Herde auf der Hornhaut
  • Stadium IV: Hornhautgeschwüre – bis zum Austritt von Kammerwasser, was zur vollständigen Erblindung führt
Spur einer betroffenen Gams
Steinbock mit infektiöser Keratokonjunktivitis

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